Wir werden euch ab jetzt regelmäßig aktuelle und interessante Bücher vorstellen. Und diese werden wir natürlich sorgfältig für euch auswählen! Weil wir absolute Leseratten sind, lesen wir die Bücher auch immer bis zur letzten Seite durch. Anschließend folgt eine ehrliche Bewertung.
Meine Favoriten für dieses Frühjahr: „Sophie Scholl: Es reut mich nichts“ von Robert M. Zoske und „Ein Bauch lustwandelt durch Wien“ von Vincent Klink.
Der Mythos „Sophie Scholl“
Sie ist das Gesicht des deutschen NS-Widerstandes: Sophie Scholl wäre am 9. Mai dieses Jahres 100 Jahre alt geworden. Viele neue Bücher widmen sich daher ihr und der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ 2020 aus diesem Anlass. So auch der Theologe und Historiker Robert M. Zoske in seinem Buch „Sophie Scholl: Es reut mich nichts“.

Wer den Namen „Sophie Scholl“ hört, erinnert sich gewiss sofort an den Augenblick ihrer Verhaftung. Als die Scholl-Geschwister am 18. Februar 1943 Stapel Flugblätter vor den Hörsälen auslegen und Sophie wenig später einen Blätterstapel von einer Brüstung im zweiten Stock stößt, ist es der Hausmeister Jakob Schmid, der sie entdeckt. Die letzten Tage der „Sophie Scholl“ gehörten damals in der Schule auch zu meinem Geschichtsunterricht. „Sophie Scholl“ und „Die weiße Rose“ sind Sinnbild des deutschen Widerstandes gegen das NS-Regime. Zu wenig ist bisher von der Person „Sophie Scholl“ und ihren Mitstreitern bekannt. Der Theologe und Historiker Robert M. Zoske will da mehr. Er räumt in seinem Buch mit dem Mythos „Sophie Scholl“ auf, ohne die Verdienste dieser jungen Widerstandskämpferin herabzuwürdigen. Vielmehr versucht der Autor in seinem Buch zu entschlüsseln, wer dieser junge Mensch „Sophie Scholl“ wirklich war. Wie war sie als Tochter, Hitlermädchen, Konfirmandin, Schülerin, Geliebte, Kindergärtnerin, Arbeitsmaid, Briefpartnerin, Studentin, Rebellin und Märtyrerin: Zoske durchleuchtet alle Stationen ihres kurzen Lebens. Er zeichnet das Bild einer jungen Frau, das sich als Mädchen wie ihre Geschwister zunächst für die Ideen der Nazis begeisterte. Sophie, die die Gemeinschaft und die Natur liebte, trat – wie ihre Geschwister auch – den Jugendorganisationen der Nazis bei. Anhand von Archivmaterial wie Briefe und Tagebuch-Auszügen formt Zoske den Menschen „Sophie Scholl“ und lässt so tief in ihre Seele blicken. Er zeigt einen jungen naturverbundenen Menschen, der Musik und Literatur über alles liebt. Er zeigt eine junge Liebende, die oft mit sich selbst hadert, weil sie die Gefühle ihres damaligen Freundes nicht im gleichen Maße erwidern kann. Und es zeigt eine junge Frau, die tief mit dem christlichen Glauben verwurzelt war. Letzteres führte dazu, dass Sophie keinen Ausweg mehr sah und sich dem Widerstand anschloss. Im Anhang finden sich Auszüge aus den Ermittlungsakten und Erinnerungen der damaligen Zeitzeugen.
Mein Fazit:
Ein wunderbares Buch, in dem der Autor sehr gelungen die Persönlichkeit der jungen Widerstandskämpferin Sophie Scholl sensibel herausarbeitet. Wie wird ein begeistertes Hitlermädchen zu einer entschlossenen Widerstandskämpferin? Dieser Frage wird in diesem Buch konsequent nachgegangen. Das Buch ist keine wissenschaftliche Abhandlung, wie man sie aus den Universitätsbibliotheken kennt. Ich habe das Lesen dieses Buches von der ersten bis zur letzten Seite genossen.
Robert M. Zoske: Sophie Scholl: Es reut mich nichts. Porträt einer Widerständigen. Propyläen Verlag, 2020.
Eine Schwabe in Wien und wie der Bauch auf Tour ging
Vincent Klink ist Schwabe und von Beruf Koch. Er betreibt in Stuttgart das Restaurant „Wielandshöhe“. Doch das alleine reicht ihm nicht. Er ist nicht nur Gastronom und als Fernsehkoch unterwegs, sondern hat auch einen kleinen Verlag, schreibt Bücher und macht als Künstler mit seinen Holzschnitten originelle Drucke. Und wenn er dann noch Zeit hat, lustwandelt er mit seinem Bauch und seiner Frau Elisabeth durch „fremde“ Orte. Paris hat er sich 2015 vorgenommen; in seinem neuen Buch „Ein Bauch lustwandelt durch Wien“ widmet er sich ganz der Stadt Wien. Er berichtet humorig über Land, Leute und vor allen Dingen über die „Wiener Küche“. Und der Mann kennt sich dort sehr gut aus. Er war schon viele Male in Wien und hat anderen Köchen in die Töpfe geschaut. Die Wiener Gepflogenheiten der Bürger und der Kellner kennt er sehr genau – und auch so manche Redewendung.

Das Buch ist kein klassischer Kultur- und Reiseführer. Straßenpläne und detaillierte Beschreibungen von kulturellen Sehenswürdigkeiten gibt es in dem Buch nicht, dafür jede Menge kulinarische Leckerbissen. Wer gedanklich sehr schnell nach Wien möchte, der muss sich etwas gedulden und sich bis zur Seite 35 vorlesen. Aber auf den Weg dorthin wird er mit einem Apfelpfannkuchen-Rezept inklusive Zubereitung belohnt. Achtung: Es gibt auch noch kleine Küchentipps dazu. Und der Leser erfährt, was es mit den Kellerkatzen auf sich hat.
In Wien angekommen, geben der Autor und seine Frau Elisabeth ihr erstes „Stelldichein“ im Hotel Sacher, denn bisher kannte der Autor nur das Restaurant Sacher. Sein Fazit: Besser als 14 Tage an einen Strand abzuhängen. Denn das Hotel spiegelt das Wesen der Stadt wider. Und Klink weiß viele interessante Geschichten aus der Vergangenheit des Hotels zu erzählen. Wien und die Habsburger gehören für den Autor zusammen, deshalb widmet er ihnen im Buch ein weiteres Kapitel. Aber er betrachtet sie auch mit den Augen eines Kochs. Die Leckereien hat er immer im Blick, wie zum Beispiel das berühmte Veilcheneis von Königin Sissis Köchin. Achtung: Es kann nachgemacht werden!
Köstlich ist sein Diskurs über die „verpönte Küche“ im Gasthaus Wolf. Auch wenn man Innereien nicht mag, bekommt man hier Appetit. Genüsslich gelesen habe ich auch die Ausführungen zu den Mehlspeisen, den Wiener Schnitzeln, den Kaffee-Häusern und den Wiener Kellnern. Als Gastronom hat Klink Letztere besonders auf dem Schirm: „Der Wiener Kellner ist von seiner mentalen Haltung her knallhart…. (denn der hat seinen Beruf richtig gelernt!).
Und gerne folge ich dem Autor mit dem „Witwenexpress“ auf den Wiener Friedhof, denn auch dort hat er einige Anekdoten zu erzählen.
Es werden am Ende des Buches die besonderen „Futterluken für Einheimische“ (Restaurants und Gasthöfe) aufgeführt. Achtung: Der Koch liebt es einfach und schnörkellos – so wie seine geliebte getragene Weste: authentisch und sympathisch!
Mein Fazit:
Ein tolles Buch, was ich schnell und schmunzelt durchgelesen habe. Der Autor liebt und kennt den Ort, den er gerade besucht. Dass er den „Schnickschnack“ hasst, merkt man sehr schnell. Er gibt gute Tipps und Insider-Wissen weiter. Dieses Buch kann ich allen empfehlen, die, wie ich, schon einmal in Wien waren, oder diese Stadt besuchen möchten. Gerne koche ich die Rezepte aus dem Buch nach. Eine Fortsetzung der „Bauch“-Reihe, wie zum Beispiel „Ein Bauch wandelt durch Madrid“ oder „Ein Bauch wandelt durch Rom“ würde ich sehr begrüßen. Weiter so!
Vincent Klink: „Ein Bauch lustwandelt durch Wien“. Ullstein-Verlag. 1. Auflage, Dezember 2020.