Alexander Gorkow hat ein Buch über seine Kindheit in den 70er Jahren und den dazugehörigen Soundtrack geschrieben. Mit trockenem Humor beschreibt er die „umbrüchige“ Zeit zwischen Autorität und körperlicher Züchtigung, freiem Geist und freier Liebe.
Mit allem verbunden ist die Musik von Pink Floyd und alles passiert unter dem Einfluss des „kranken Kindes“, Gorkows rebellischer Schwester, die einen Herzklappenfehler durch das Medikament Contergan hat.
Man ist sofort mittendrin im Soundtrack der 70er von Schule (neues Schulsystem versus gewalttätigem Religionslehrer), Außenseitern (Mongo versus Stottern), Schweinesystem (Villa mit Pool versus Rote Armee Fraktion), Altnazis (Männer mit Stock und Hut versus Bumsen im Park) und Musik (Schlager versus Progressive Rock)
Damals sagte man noch „Mongo“ und „Spasti“, es gab noch „Klassenkeile“ und überall wurde geraucht. Die Lehrerinnen nannte man noch „Fräulein“, wenn sie nicht verheiratet waren. Und wenn einem nicht die Eltern Horrorgeschichten erzählten, dann besorgte spätestens das Kino die Beflügelung der Phantasie. Mit Filmen wie „Die Nacht der reitenden Leichen“, die ohne Altersbeschränkung im Vorstadtkino gezeigt wurden.
Ein neu erschienenes Album war ein Ereignis, welches man sich „warm hört“. Immer und immer wieder hörte man die neue Platte, um ihr auf den Grund zu gehen.
Der Soundtrack der Kindheit lässt einen nicht mehr los.
Die Musik von Pink Floyd hat Alexander Gorkow dermaßen geprägt, dass er 2018, mittlerweile ist er bei der Süddeutschen Zeitung tätig und Roger Waters‘ Zorn auf die Welt hat sich in antisemitische Stimmungsmache gewandelt, einen Auftrag für ein Interview mit dem Kopf von Pink Floyd bekommt. Dieses Gespräch wurde als bestes Interview mit dem Reporterpreis ausgezeichnet.
Mein Fazit:
Wer in den 70er Jahren aufgewachsen ist, sollte dieses Buch lesen. Dann ist es eine Zeitreise in die eigene Kindheit, mit allen Höhen und Tiefen. Ich bin in den 70er Jahren in Düsseldorf aufgewachsen und mir waren daher sogar die Orte bekannt, die Gorkow in seine Erzählung eingestreut hat (Bäckerei Hinkel, Feinkostgeschäft Münstermann, Supermarkt Otto Mess, Musikorte Philipshalle und Ratinger Hof).
Wer nicht in den 70er Jahren aufgewachsen ist, sollte dieses Buch auch lesen. Dann ist es eine Reise in eine unbekannte, aber spannende Zeit (vielleicht der Eltern?).
Es ist in jedem Fall ein schönes tragisch-komisches Buch (wenn Alexander Gorkow seine Stottertherapie beschreibt, ist das einfach sehr komisch), das animiert, sich nochmal die verschiedenen Alben von Pink Floyd anzuhören (jedes Album für sich hat einen sehr eigenen Stil).
Alexander Gorkow: Die Kinder hören Pink Floyd. Kiepenheuer & Witsch, 2021