In 2021 gingen drei wichtige Auszeichnungen (Oscar für Nomadland an Chloé Zhao, Goldene Palme von Cannes für Titane von Julia Ducournau und Goldener Löwe von Venedig für Das Ereignis von Audrey Diwan) an Filmemacherinnen. In der Filmgeschichte ist das bisher leider einmalig, aber dennoch ein wichtiges Signal für die Gleichberechtigung in der Filmbranche.
„Nur jeder 5. Kinofilm wird von einer Frau inszeniert. Filme von Frauen erhalten maximal 20 Prozent der gesamten Bundesfördermittel.“ Pro Quote Film e.V.
Dass Frauen hinter und vor der Kamera, als Bildgestalterinnen, Drehbuchautorinnen und in der Filmproduktion mehr gesehen werden, dafür setzt sich seit fast 40 Jahren auch das Internationale Frauenfilmfest Dortmund + Köln (IFFF) ein.
In den 1980er-Jahren als femme totale (Dortmund) und Feminale (Köln) gestartet, wurde aus beiden Festivals 2006 das Internationale Frauenfilmfest Dortmund + Köln (IFFF).
Nach zwei Coronaeditionen konnte frau / man sich nun endlich wieder in den Kinosessel kuscheln, in die Bilderwelten eintauchen, bei den Talks und Diskussionen Hintergrundinfos erfahren und sich mit Gleichgesinnten austauschen und vernetzen. Parallel gab es ein Online-Film-Angebot. Einige Filmsektionen liefen auch in den Dortmunder Kinos.
Die gezeigten Filmformate der Filmemacherinnen in den Sektionen Debüt-Spielfilmwettbewerb, Nationaler Wettbewerb für Bildgestalterinnen, Panorama, Fokus: The Connection II: Filme, die heilen, Begehrt! – Filmlust queer: Be/Longing, Spot on, NRW!/Shoot, IFFF packt aus, Programm für Kinder und Jugendliche waren experimentell, performativ, semidokumentarisch, animiert und fiktional.
Auftakt mit Freundschaft
Mit Kiki, die Feder von Julie Rembauvillei und Nicolas Bianco-Levrin aus dem Kinder- und Jugendprogramm ist ein fröhlicher Auftakt ins Festival gelungen. In dem animierten Kurzfilm lernt der Kanarienvogel Kiki, was ein Leben in Freiheit bedeutet und befreundet sich mit einer Krähe. Der französische Film ist bei dem jungen Publikum besonders gut angekommen und bekam den Preis für den besten Kurzfilm für Kinder.
Der Eröffnungsfilm Kevin erzählt die brasilianische Drehbuchautorin und Regisseurin Joana Oliveira über ihre Freundschaft mit Kevin, die sie aus der Jugendzeit in Deutschland kennt. Die beiden Frauen in den 40ern leben wieder in ihren Geburtsländern und Joana besucht nun mehr oder weniger spontan ihre Jugendfreundin in Uganda. Die semidokumentarische Erzählung gibt einen kleinen Einblick in das Leben der beiden Frauen und mir ein gutes positives Gefühl.
Wettbewerbe
Internationales Debüt-Spielfilm: Acht Spielfilme von Regisseurinnen aus den Ländern China, Costa Rica, Frankreich, Haiti, Rumänien, Serbien, Spanien und den USA waren nominiert. Gewonnen hat die Regisseurin Gessica Généus mit ihrem Film Freda. Einem Drama über die Studentin Freda, die zwar in ärmlichsten Verhältnissen in Port-au-Prince lebt, aber dennoch nicht die Flucht ergreift.
Nachwuchspreis für Bildgestalterinnen: Drei Filme von Kamerafrauen aus Deutschland wurden mit diesem Preis für ihre Spiel- und Dokumentarfilmen ausgezeichnet. Eliza Petkova für die Dokumentation Bürgermeister, Schäfer, Witwe, Drache, Hilke Rönnfeld für den Spielfilm Fence und die lobende Erwähnung ging an Antonia Kilian für den Dokumenarfilm The Other Side of the River.
Traum(a), Heilung, Lust
„Traum und Trauma“ waren das filmübergreifende Thema der Dokumentarfilme in der Sektion Panorama. Dazu gehörte auch das semidokumentarische Werk Kevin, welches das Filmfestival eröffnen durfte (siehe oben). Filme, die heilen: Darunter wurden mehrere Lang- und Kurzfilme zusammengefasst. Das könnte bedeuten: Tiere, Pflanzen, Wasser sind komplex. Kurz gesagt das Leben ist komplex. Das Eindringen in fremde Systeme und damit ein Perspektivwechsel kann eigentlich nur gut, daher heilsam sein.

„Ein Wir ist hier nicht die romantische Zweierbeziehung“ werden die Doku- und Spielfilme aus Brasilien, Deutschland, Georgien, Großbritanien und Kanada der Sektion Begehrt! – Filmlust queer: Be/Longing im Programmheft thematisch zusammengefasst. Der bereits mehrfach ausgezeichnete Spielfilm Nico von Eline Gehring hat dem Kölner Publikum am Besten gefallen. Der Film porträtiert die Pflegerin Nico, die durch ein traumatisches Erlebnis den Boden unter den Füßen verliert, dagegen ankämpft und am Ende gewinnt. Besonders ausdrucksstark: Die Hauptdarstellerin und Produzentin des Films Sara Fazilat.
Vergangenheit und Rückblick
Die Vergangenheit aufarbeiten, die eigene Stimme suchen, darum ging es bei den Erinnerungen der Regisseurin Petra Seeger, die ihren Film Vater(s)land im Rahmen von Spot on, NRW! vorstellte. Mit einer Mischung aus Fiktion und Super-8-Filmen gelingt Seeger eine vielschichtige und humorvolle Aufarbeitung ihrer Kindheit.
Den Rückblick in die Zeit des Mauerfalls wagte das Frauenfilmfestival erstmals 2020 (zum Gedenken an 30 Jahre Mauerfall) mit einem Austausch über die Nachwendezeit an einem runden Tisch mit Filmschaffenden aus Ost und West. Hier galt es endlich eine Leerstelle in der Filmgeschichtsschreibung zu füllen. (Stichwort: Besserwessi 😉 Diese könnte jetzt geschlossen worden sein mit dem Buch Was wir filmten – Film von ostdeutschen Regisseurinnen nach 1990. Darin zu Wort kommen Filmemacherinnen aus drei Generationen. Zur Vostellung und Lesung des Buchs wurde der Dokufilm Berlin, Bahnhof Friedrichstraße 1990 von Konstanze Binder, Lilly Grote, Ulrike Herdin, Julia Kunert gezeigt. Spannend!
Fazit:
Endlich wieder „echtes“ Filmfestival-Feeling! Das leichte Kribbeln der Vorfreude verspüre ich bei Filmfestivals spätestens dann, wenn der offizielle Festival-Trailer läuft. Sehr schön war es wieder im vollbesetzten Kinosaal zu sitzen und gemeinsam Filme zu schauen. Das Programm war sehr vielfältig. Und das Online-Programm ist und bleibt eine gute Ergänzung, wenn man es aus irgendwelchen Gründen nicht ins Kino schafft.
Besonders gefallen hat mir als Spielfilm Clara Sola von Nathalie Álvarez Mesén. In der Geschichte über die 40-jährige Clara, die ihrem Leben als Wunderheilerin entfliehen möchte und eine Art Selbstheilung erfährt durch das Entdecken ihrer Weiblichkeit. Hier hat mich die Hauptdarstellerin Wendy Chinchilla in ihrem Spiel sehr beeindruckt, was wahrscheinlich auch in der Ausdrucksweise lag, die sie als ausgebildete Tänzerin zeigt.
Das lange Werkstattgespräch zwischen den Kamerafrauen Christine A. Maier und Sophie Maintigneux mit Filmausschnitten war ein weiteres Highlight für mich. Es war ein schönes Gespräch unter Freundinnen (Maier und Maintigneux sind seit Jahren befreundet) und ich bekam einen guten Einblick in die Arbeit von der Kamerafrau aus Österreich. Für die Bildgestaltung bei dem Drama Quo Vadis, Aida? von Jasmila Žbanić wurde Maier 2021 mit dem Deutschen Kamerapreis ausgezeichnet.
Weiteres nicht von mir Berücksichtigtes: https://frauenfilmfest.com/
Gute Seiten zum Thema Gleichberechtigung beim Film