Sinnesfreuden bei der 23. lit.COLOGNE

Die lit.COLOGNE, eines der größten europäischen Literaturfestivals, konnte in diesem Jahr, dem 23., wieder so richtig durchstarten. Die Programmvielfalt reichte wieder über die klassische Lesung hinaus. Mit reichlich Prominenz: Autoren, Musiker, Kabarettisten und Künstler anderer Sparten diskutierten, führten Gespräche, sangen, inszenierten und führten vor. Fast alle Veranstaltungen waren ausverkauft.

Die drei von mir besuchten Veranstaltungen waren alle auf ihre Art unterhaltsam und hatten eines gemeinsam, es wurde nicht (vor)gelesen und damit gab es auch keine Buchvorstellung bzw. kein zur Veranstaltung gehörendes Buch.

Den Teller lesen. Marco Müller und Heinz Reitbauer,  über Nachhaltigkeit in der Sterne-Gastronomie, Comedia Theater am 5.3.2023

Man hätte sich gewünscht, dass nicht nur aus dem Teller gelesen, sondern ein voller Teller gereicht worden wäre. Denn bei dem Gespräch zwischen dem Moderator Miguel Calero und den Köchen Marco Müller (Restaurant Rutz, Berlin) und Heinz Reitbauer (Restaurant Steirereck, Meierei in Wien und Steirereck am Pogusch, Niederösterreich) über das Thema Nachhaltigkeit beim Kochen und in ihren Restaurants hätten Häppchen oder besser gesagt, Amuse Gueule (französisch für Gaumenfreude), denn die beiden sind schließlich Sterneköche, dem Gaumen gut getan.

Viel Neues zum Thema Nachhaltigkeit bekam man nicht geboten. Die Komplexität des Themas wurde einem aber wieder einmal bewusst und so war es trotzdem ein interessantes Gespräch, indem der Moderator Miguel Calero, der selber jahrelang als Restaurantleiter gearbeitet hat, versuchte, den beiden Köchen ihr „Erfolgsgeheimnis“ zu entlocken. Hier agierten die beiden Köche sehr unterschiedlich. Der eine (Müller) etwas zugeknöpfter, der andere (Reitbauer) reflektierter. Großstadt gegen Provinz sozusagen. Berliner Hippness gegen Wiener Bodenständigkeit. So erfuhr man von Marco Müller, dass er schon seit längerem Karpfen statt Steinbutt verarbeitet (und natürlich „Nose to Tail“), keinen Honig aus dem vermieften Berlin verwendet, und Berlin sich mit den Jahren im Kern zwar gastronomisch weiterentwickelt hat, aber am Rand noch viel Luft nach oben ist. Sprich: In Mitte bekommt der Gast Fischschuppen als Crunch auf seinem Kartoffel-Sellerie-Stampf und in Köpenick Senf auf die gute alte Bulette.

Nach Meinung von Heinz Reitbauer fängt Nachhaltigkeit schon bei den Gästen an, die für die Sterneküche von weit her eingeflogen kommen. Und daher sollten nach seinem Geschmack, die Menschen im Umkreis in seine Restaurants gelockt werden. Da gehobene Küche natürlich nicht für jede oder jeden erschwinglich ist, bleibt dieser Anspruch ein schwieriges Unterfangen.

Reitbauer „lebt“ die natürliche und regionale Küche, reflektiert stets im regen Austausch mit Köchen und Produzenten, erntet und verarbeitet Selbstangebautes und Selbstgezogenes und sammelt die Früchte des Waldes. Wobei er sich auch dabei durchaus bewusst ist, dass er auch beim Pilze sammeln seine Spuren hinterlässt.

Ballet of Difference BALLET OF (DIS)OBEDIENCE: Öffentliche Probe und Gespräch mit Richard Siegal und Dramaturg Tobias Staab,
Schauspiel Köln am 8.3.2023

Verschiedenheit ist hier Programm. Mit seinem aus sehr verschiedenen Tanzpersönlichkeiten bunt zusammengewürfeltem Ballet of Difference stellt der amerikanische Tänzer und Choreograph Richard Siegal gesellschaftliche Fragen nach Individualität oder Kollektivität.

ATTENTION! RELAX! Die Tanzkompanie schreitet mit militärisch anmutendem Schritt über die Bühne, die Befehle kommen zunächst von einer Tänzerin, nach und nach versucht jemand anderes die Befehle zu übernehmen, die Gruppe teilt sich, findet wieder zusammen, ausgebreitete Arme versuchen den nötigen Abstand zu halten.

Die Inspiration zu dem Tanzstück Ballet of (Dis)Obedience, also Ballet des (Un)Gehorsam, hat sich Choreograph Richard Siegal mit seiner Tanzkompanie in Tokio geholt. Dort ist der Shuudan Koudou, international auch als Japanese Precision Walking bekannt, zu Hause.

Hohe Herren von der Akademie! Sie erweisen mir die Ehre, mich aufzufordern, der Akademie einen Bericht über mein äffisches Vorleben einzureichen. In diesem Sinne kann ich leider der Aufforderung nicht nachkommen. Nahezu fünf Jahre trennen mich vom Affentum, eine Zeit, kurz vielleicht am Kalender gemessen…, diesen Text von Kafka (Ein Bericht für eine Akademie wurde erstmals 1917 veröffentlicht, hier ist das Urheberrecht bereits abgelaufen) trägt die ältere Tänzerin zu Beginn des Probenabends vor. Im Gespräch nach der Probe erfährt man, dass der von Nazareth Panadero, (Tänzerin des Wuppertaler Tanztheaters und langjährige Weggefährtin Pina Bauschs), eingesprochene Text eigentlich ein anderer gewesen sein sollte: nämlich aus einem japanischen Roman, der Jugendlektüre von Richard Siegal, aber er bekam leider keine Zusage für die Urheberrechte.

Bei dieser öffentlichen Probe konnte man einen schönen Einblick in die Arbeitsweise Siegals und seiner Tänzerinnen und Tänzern bekommen. Man erfährt auch, dass noch einiges ausgearbeitet werden muss bis zur Premiere am 24. März.

Ich hatte bereits vor einiger Zeit eine Dokumentation über Richard Siegal und seine Tanzgruppe gesehen, indem es um die Einstudierung  und Aufführung eines neuen Stückes und auch um den Austausch mit Choreographen und Choregraphinnen und Tänzerinnen und Tänzern in Nigeria ging und war daher sehr interessiert daran, mir mal die Arbeitsweise der Tanztruppe vor Ort anzusehen. Ich war nicht überrascht von der sehr disziplinierten, ruhigen, aber auch humorvollen Arbeitsweise, die dort herrschte, die auch schon im Film rüberkam.

Schön ist, dass man sich bald nicht nur das fertige Tanzstück ansehen kann, sondern weiterhin auch die eine oder andere neue Choreographie. Denn seit 2019 ist das Ballet of Difference am Schauspiel Köln beheimatet. Und das wird hoffentlich erst mal so bleiben.

Die schönste Zeit mit den Lyrics von Bosse, Volkstheater am Rudolfplatz am 10.3.2023

Hey, hey, hey, du schreist hurra in mein Gesicht hey, hey, hey. Das Publikum im Volkstheater an Rudolfplatz ist textsicher und unterstützt den Musiker Bosse liebend gerne bei der Performance. Das Musikprogramm muss leider schnell über die Bühne. Denn seit das Theater einen lärmempfindlichen Nachbarn hat, darf nach 22 Uhr kein Krach mehr gemacht werden. Kein Gesang und auch kein Geklatsche, geschweige denn Gejubel. Der musikalischen Darbietung samt musikalischer Begleitung von Kontrabass und Keyboard und der guten Stimmung im Saal schadet das aber nicht. Im Gespräch mit Sabine Heinrich erfährt man dann noch, dass der Musiker Axel „Aki“ Bosse sich jeden Morgen ans Klavier setzt und versucht einen Song zu schreiben. Manchmal hat er in 8 Minuten einen Song fertig, manchmal dauert es Monate. Der sympathische Typ zog schon mit 16 Jahren aus dem elterlichen Haus nahe Braunschweig, um kurze Zeit später in Berlin seinen Traum des Songschreibers nachzugehen. Mittlerweile ist er in Hamburg mit Frau und Kind verortet und hat seinen Lebenstraum verwirklicht.

Er erzählt auch, dass er bei Auslandaufenthalten für Videodrehs gerne mal in die lokalen Küchen schnuppert und auch mithilft. Und nach seinem Plan B gefragt, falls es mit der Musik nicht geklappt hätte oder nicht mehr klappen würde, antwortet Aki Bosse, dass er dann wohl Koch wäre. Seit neuestem hat er mit Lecker Mittach sogar einen Kochpodcast. Und so schließt sich der Kreis.

Fazit: Die Abende mit Ballet of Difference und Bosse waren wirklich ein nachhaltiger Genuss. Beim Tellerlesen über das (nachhaltige) Kochen wurde leider nur um den „heißen Kartoffelbrei“ geredet und man blieb hungrig zurück.

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